Was ist CRISPR/Cas, warum ist es so revolutionär und kann damit jeder einfach das Genom von allem verändern? Über ein tolles Werkzeug in der Gentechnik, was es kann und was nicht.
Als im Jahr 2020 der Nobelpreis für Chemie an Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier ging überraschte das eigentlich niemanden. Schon als ich Emmanuelle Charpentier auf einer Preisverleihung 2016 gesehen habe, war den meisten klar, dass das Nobelkomitee nur auf die Einigung in einem Patentstreit wartet um die beiden zu nominieren. Die Arbeit, die die Wissenschaftlerinnen weltweit bekannt gemacht hat, ist der Artikel „A programmable dual-RNA-guided DNA endonuclease in adaptive bacterial immunity“ der 2012 in der Zeitschrift Science erschien. Darin wird erstmals die Nutzung eines Bakteriellen Abwehrsystems, das heute als CRISPR/Cas bekannt ist, in der Gentechnik beschrieben.
Was ist CRISPR/Cas
Doch was ist CRISPR/Cas und warum ist es so ein riesiger Sprung in der Gentechnik? CRISPR beschreibt bestimmte sich wiederholende Motive, die in den Genomen verschiedenster Bakterien gefunden wurden. In den frühen 2000er Jahren entdeckte man, dass diese Motive im Zusammenhang mit einem Abwehrmechanismus dieser Bakterien stehen, der sie vor Virenangriffen schützt. Befällt ein Virus eine Zelle, injiziert es sein Erbgut und programmiert damit die Zelle für seine Zwecke um. Die Zelle produziert nach diesem Bauplan jetzt neue Viren und zerstört sich damit in den meisten Fällen selbst. Viren sind für Bakterien, die ja keine spezialisierten Immunzellen wie wir haben, eine sehr große Bedrohung und sie haben viele Strategien entwickelt um dieser Gefahr zu begegnen.
Eins der am weitesten verbreiteten solcher Abwehrsysteme ist CRISPR/Cas. Bestimmte CRISPR assoziierte (Cas) Proteine binden die durch Viren eingeschleuste DNA, schneiden kleine Stücke davon heraus und bauen sie zwischen Wiederholungssequenzen ins Genom des Bakteriums ein (CRISPR). Wird das Bakterium erneut von diesem oder einem ähnlichen Virus befallen, kann ein anderes Cas Protein jetzt mit Hilfe dieser gespeicherten Erkennungssequenzen die Viren-DNA sofort erkennen und sie zerschneiden, bevor sie sich vermehren kann.
Revolution in der Gentechnik
Genau diesen Teil der erlernten Immunantwort der Bakterien, das programmierbare Schneiden von DNA-Sequenzen, haben die beiden Nobelpreisträgerinnen entschlüsselt und eine Methode entwickelt, diese Programmierung beliebig zu ändern. Der Trick ist, dass das Cas-Protein DNA schneidet, deren Sequenz einer RNA-Sequenz entspricht, mit der es verbunden ist. Diese sogenannte guide RNA kann man relativ einfach Herstellen und so das exakte Ziel festlegen an dem DNA geschnitten werden soll.
Da diese Zielprogrammierung sehr genau ist, kann diese Genschere, im Gegensatz zu den Werkzeugen, die der Gentechnik vorher zur Verfügung standen, in einer lebenden Zelle deren Erbgut an genau einer Stelle schneiden. Inzwischen wurden noch weitere ähnlich exakte Genscheren entwickelt, die allerdings bei weitem nicht so unkompliziert programmierbar sind.
Schnitte oder Brüche in DNA entstehen häufig auch natürlich und deshalb gibt es Reparaturmechanismen, die diese wieder schließen. Die einfachste Art die beiden Enden eines zerschnittenen DNA-Strangs wieder zu verbinden ist die nicht-homologe Endreparatur. Bei dieser werden zwei DNA-Enden ohne Rücksicht auf Verluste verknüpft. Das funktioniert leider nicht perfekt und meistens gehen dabei ein paar einzelne Buchstaben (Basenpaare) aus der DNA-Sequenz verloren oder es werden ein paar neue eingefügt.
Kleiner Fehler im Code, große Wirkung – der Knock-out
Wenn es sich bei dieser Sequenz um ein Gen, also den Bauplan für ein Protein handelt, ist das für diesen Bauplan in zwei von drei Fällen verheerend. Der Grund dafür liegt in der Sprache der DNA, dem Code. Immer drei Buchstaben (Basen) in der DNA bilden ein Wort. Die Wörter sind Aminosäuren, also die Grundbausteine der Proteine, welche wiederum der ganze Satz sind, der in einem Gen steht.
Das Problem an dieser Art zu schreiben ist, dass es keine Leerzeichen gibt, die Festlegen, wo ein Wort aufhört und das nächste anfängt. Das führt dazu, dass es drei Möglichkeiten gibt wo man anfängt zu lesen, die zu komplett unterschiedlichen Wörtern und Sätzen führen. Der Start, an dem angefangen wird zu lesen, also die DNA in ein Protein zu übersetzen, wird durch ein speziellen Wort aus drei Buchstaben, das Start-Codon festgelegt. Das Ende wird auch wieder durch eine spezielles Wort, eines von drei möglichen Stopp-Codons bestimmt.
Diese Art des Codes bedeutet, dass wenn ein einzelner oder zwei Buchstaben hinzugefügt oder weggelassen werden, sich die gesamte Bedeutung des restlichen Satzes ändert, weil sich das Leseraster verschiebt. Damit wird das Protein, dass von dem Gen codiert wird, nicht mehr korrekt hergestellt wird. Es wird also ausgeschaltet. In der Gentechnik nennt man das Knock-out.
Einfügen von neuem Code – Knock-in
Wenn man nicht nur ein Gen kaputt machen möchte, sondern neue Informationen einfügen will, macht man sich die andere Reparaturmethode der Zelle zunutze, die Homologe Reparatur. Für die Zelle ist das eigentlich die bessere Methode Brüche in der DNA zu reparieren, da sie weniger Fehler macht. Wenn der Zelle ein Stück DNA zur Verfügung steht, das die gleiche (oder eine ähnliche) Sequenz hat wie die Stücke vor und nach dem Schnitt, baut die Zelle dieses Stück ein und tauscht das kaputte Stück aus.
Über diese Methode kann man eine neue Sequenz ein das Genom einer Zelle einbauen. Wie das geht habe ich hier erklärt.
Bei beiden Methoden wird die Sequenz, die ursprünglich vom Cas Protein erkannt und geschnitten wurde zerstört und das Genom wird nach der Reparatur nicht wieder geschnitten.
Anwendung von Medizin bis Landwirtschaft
Was kann man nun mit CRISPR/Cas machen? Indem es damit deutlich vereinfacht wurde gezielte Veränderungen am Genom verschiedenster Organismen vorzunehmen, wurde die Entwicklung in der Gentechnik extrem beschleunigt: In der Forschung kann die Funktion eines Gens schnell untersucht werden, indem es ausgeschaltet wird. In der Landwirtschaft können Pflanzen resistenter gegen Dürre und Schädlinge gemacht werden indem man ihnen entsprechende Resistenzen aus anderen Pflanzen überträgt. Auch erste genmodifizierte Tiere werden entwickelt, wie zum Beispiel ein Wels, der mit Hilfe eines Gens aus dem Alligator resistenter gegen Krankheiten werden soll.
In der Medizin werden wohl noch 2023 die ersten Gentherapien regulär Patienten heilen. Die ersten Therapien werden größtenteils außerhalb des Körpers durchgeführt. Dazu werden zum Beispiel Blutstammzellen von Patienten mit einer angeborenen Sichelzellenanemie isoliert, ein defektes Gen repariert und diese Stammzellen dann dem Patienten wieder injiziert. Diese können dann im Patienten funktionierende rote Blutkörperchen bilden, wozu sie vorher nicht im Stande waren.
Eine andere wichtige Gruppe von Gentherapien, die ähnlich funktionieren sind die CAR-T-Zellen. Das sind Patienteneigene Immunzellen, denen mittels eines Gens für einen speziellen Rezeptor beigebracht wurde Krebszellen effektiver zu erkennen und zu zerstören. Aktuell befinden sich mehrere tausend CRISPR/Cas-basierte Gentherapien in der klinischen Zulassungsphase.
CRISPR/Cas fängt also gerade erst an viele Bereiche unseres Lebens zu verändern.
Kann jeder jetzt Gene verändern?
CRISPR/Cas wird gerne als extrem einfaches Werkzeug beschrieben, mit dem jeder in seiner Küche die Gene von Menschen und anderen Organismen verändern kann. So einfach ist es natürlich nicht. Zum einen ist das „Einfach“ eines Molekularbiologen oft alles andere als einfach und erfordert neben viel Wissen auch immer noch spezielle Geräte und Chemikalien, die sich in einer normalen Küche nicht finden lassen.
Zum anderen ist es eine Sache, einen einzelligen Organismus oder eine Keimzelle einer Maus zu verändern. Es ist aber eine ganz andere gezielt eine Gruppe von Zellen oder gar alle Zellen in einem fertigen vielzelligen Organismus wie einem Menschen zu verändern. Die einzigen Gewebe im menschlichen Körper, an die wir aktuell einigermaßen effektiv mit Gentherapien heran kommen sind die Leber, das Knochenmark und das Auge.
Zur Veranschaulichung, dass es nicht so einfach ist wird in diesem Diagramm dargestellt, wie der Arbeitsablauf zur für eine einzige genetische Modifikation in der sehr einfachen einzelligen Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae aussieht. Hierbei wird das System und auch verschiedene Abbildungen des Ellis Lab genutzt.